Nicola Sturgeon: Gute Königin oder gefährlichste Frau Britanniens?

21.04.2015

ZZeitungen über die Vorstellung des SNP-ManifestsBritische Zeitungen berichten über die Vorstellung des SNP-Manifests

In Großbritannien ist Wahlkampf und die Medien haben einen neuen Star erkoren: In höchsten Tönen preisen sie Nicola Sturgeon, schottische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Scottish National Party (SNP).Nach der Vorstellung des SNP-Wahlmanifests schwärmte der linksliberale Guardian:  "Es war die Krönung von Königin Nicola." Der Herald lobte: "Nicola Sturgeon ist die stärkste Kraft innerhalb der britischen Linken." Die Huffington Post nannte sie "die mächtigste Politikerin seit Maggie". Und der Fernsehsender ITV fasste zusammen: "Journalisten und Kommentatoren waren sehr beeindruckt." Was ist da passiert?

Immer wieder wundere ich mich als Journalistin über meine eigene Zunft. Im Dezember schrieben wir in diesem Blog über die Fiesheiten, die sich Nicola Sturgeon von der Presse gefallen lassen musste. Von "Todeszellen-Frisur" war in den Zeitungen die Rede und sie musste sich als "nippy sweety" (verbissene  Süße) verunglimpfen lassen. Sie wurde als graue Maus im Schatten des ehemaligen SNP-Vorsitzenden Alex Salmond verspottet.Und jetzt? Nicola Sturgeon ist dieselbe kluge und schlagfertige Politikerin wie vor einigen Monaten. Nur, dass sie jetzt eine wichtige Rolle als mögliche Königsmacherin spielt und deshalb von den Medien ernst genommen wird. Obwohl die SNP nur in Schottland antritt, wird es nach der Unterhaus-Wahl am 7. Mai auf sie ankommen. Umfragen zufolge wird sie der Labour-Partei in Schottland bis zu 41 Mandate abjagen. Weder Labour noch die Tories werden voraussichtlich eine Mehrheit bekommen. Labour-Spitzenkandidat Ed Miliband könnte allerdings Premierminister einer Minderheitsregierung werden, wenn er sich auf eine Zusammenarbeit mit Nicola Sturgeon einlässt.

Die schottische Journalistin Lesley Riddoch machte sich im Guardian über den Sturgeon-Hype lustig: "Ich würde gerne wissen, wie viele Korrespondenten sich entgeistert fragen, warum sie den Aufstieg dieser Frau nicht mitbekommen haben." Am Ende ihres Artikel kommt sie zu dem Schluss: "Sturgeons Performance könnte beweisen, dass das bevorzugte Vorbild für Politiker in Zukunft nicht mehr "der große Mann", sondern "die erfolgreiche Frau" sein könnte. Es sei "kein Wunder, dass ganz Britannien verzückt ist."

Vielleicht sind viele Medienleute aber auch deshalb so begeistert von Sturgeon, weil ihre Auftritte einfach interessanter, professioneller und unterhaltsamer sind als die von Labour-Chef Ed Miliband und Tory-Premierminister David Cameron. Inhaltlich verspricht sie in diesem Wahlkampf mehr Geld für das Gesundheitssystem und ein Ende der Sparpolitik - das kommt vor allem bei Labour-AnhängerInnen gut an, die ihrer eigenen Partei in diesen Punkten nicht mehr so recht trauen.

Bei einigen konservativen Politikern und Journalisten hat der Erfolg von Nicola Sturgeon dagegen einen Beiss-Reflex ausgelöst: Die rechte Daily Mail nannte sie "die gefährlichste Frau Britanniens".  Und Boris Johnson, Bürgermeister von London, verglich sie im konservativen Telegraph mit der mörderischen Lady Macbeth.Ein Journalist derselben Zeitung fühlte sich bei der Vorstellung des SNP-Manifests "an die Aufmärsche der Nazis in Nürnberg erinnert." Und der Reporter Piers Morgan nannte Sturgeon "Mini-Gozilla".

Die heftigen Reaktionen der konservativen Herrenriege könnten auch damit zusammen hängen, dass sich die Frauen in diesem Wahlkampf besser darstellen als die Männer. Deutlich wurde dies bei den letzten beiden Fernsehdebatten. Beim Streitgespräch aller sieben Parteivorsitzenden war Nicola Sturgeon die deutlichste von allen,  Leanne Wood von der walisischen Partei Plaid Cymru und Natalie Bennett von den Grünen wirkten ebenfalls überzeugend. Tory-Premierminister David Cameron sonderte dagegen Plattitüden ab, Labour-Chef Ed Miliband wirkte sehr glatt, Nick Clegg von den Liberaldemokraten kam kaum zu Wort und Rechtspopulist Nigel Farage hetzte und geiferte wie immer.Während der zweiten Debatte Mitte April bot Nicola Sturgeon Ed Miliband die Tolerierung an: "Ich bin bereit, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Nutzen Sie die Chance, David Cameron aus der Downing Street hinaus zu werfen." Doch Ed Miliband tat so, als habe er sie nicht verstanden und wiederholte seine Absage an eine Koalition mit der SNP.

Alle Parteien buhlen in diesem Wahlkampf um die Stimmen der Wählerinnen, denn die Frauen sind weniger auf eine Partei festgelegt als die Männer. Das Gesundheitssystem, Bildung und Wohnen sind Themen von denen die Parteien annehmen, dass sie für Frauen wichtig sind. Sie spielen deshalb in diesem Wahlkampf eine große Rolle. Labour hat in jedem zweiten für die Partei aussichtsreichen Wahlbezirk eine Frau aufgestellt, bei den Konservativen kandidiert nur in jedem fünften aussichtsreichen Bezirk eine Frau. Die bekannteste Kandidatin der Konservativen ist Innenministerin Theresa May, die prominenteste Labour-Kandidatin ist Schatten-Innenministerin Yvette Cooper.  

Die stellvertretende Labour-Vorsitzende Harriet Harman macht ihren ganz speziellen Frauen-Wahlkampf: "Während wir Themen wie Kinderbetreuung und häusliche Gewalt ansprechen, haben die Konservativen den Wählerinnen nichts anzubieten", sagt sie. Politikverdrossenheit sei bei Frauen besonders aufgeprägt. "Politik ist zu wichtig, um sie den Männern alleine zu überlassen", tönt die Labour-Frau. In den Augen vieler Femnistinnen macht sie sich allerdings lächerlich: Sie tourt in einem Prinzessinnen-rosa Bus mit der Aufschrift "Von Frauen für Frauen" durchs Land.

 
« zur Artikel-Übersicht

Kommentare: 0

Keine Kommentare vorhanden!

Neuen Kommentar verfassen:

Bitte füllen Sie mit * markierte Felder korrekt aus. JavaScript und Cookies müssen aktiviert sein.
Name: (Pflichtfeld)*
email: (Pflichtfeld, wird nicht veröffentlicht)*
Homepage:
Bild hochladen:
jpg - jpeg - gif - png   (max. 10 MByte)
Ihr Kommentar: *
(Das Bild wird erst beim speichern links oben eingefügt)
 
Bitte tragen Sie den Spamschutz Code ein:*
Captcha
Powered by CMSimpleBlog