Nach dem Brexit-Chaos: Theresa May soll den Karren aus dem Dreck ziehen

11.07.2016

May

Die Medien überschlagen sich vor Begeisterung über Theresa May, die am Mittwoch zur neuen britischen Premierministerin ernannt wird. Alle Titelseiten zeigen die lachende Innenministerin, die ihre Konkurent_innen aus dem Rennen geschlagen hat. "Die Krönung der Theresa" titelt die Daily Mail. "May auf der Überholspur" schreibt der Guardian. Besonders originell ist die Boulevardzeitung The Sun: Sie zeigt eine Montage, auf der May mit ihren Leopardenmuster-Lieblings-Pumps auf die Köpfe ihrer männlichen Konkurrenten tritt.

 
Seit dem Brexit-Votum vom 23. Juni ist hier in Großbritannien das Chaos ausgebrochen. Für mich als politische Korrespondentin ist das ein déjà-vue-Erlebnis: Wie Angela Merkel im Jahr 2000 in Deutschland soll heute Theresa May in Großbritannien den Karren aus dem Dreck ziehen.


26 Jahre nach dem Rücktritt von Margaret Thatcher bekommt Großbritannien wieder eine Premierministerin. Die bisherige Innenministerin Theresa May hat als Einzige im Rennen um den Posten durchgehalten. Am Montag war ihre letzte verbliebene Konkurrentin Andrea Leadsom über die dummdreiste Aussage gestolpert, dass sie als Mutter besser zur Führung des Landes befähigt sei, als die kinderlose May. 
 
Premierminister David Cameron und Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson haben sich aus dem Staub gemacht. Im Jahr 2000, als die CDU in Trümmern lag, sollte Angela Merkel die Partei und das Land retten. Heute wird von Theresa May dasselbe erwartet. Damit beginnt in Großbritannien eine neue Ära - denn die Pastorentochter May ist mindestens so gewieft und hartnäckig wie die Pastorentochter Merkel. 
 
Als Innenpolitikerin ist Theresa May immer einen knallhart konservativen Kurs gefahren. In einem Gastbeitrag für die Zeitung The Times schlug sie vor, Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen, nicht mehr in Europa an Land zu lassen, sondern nach Afrika zurück zu schicken. Sie versprach dafür zu sorgen, dass in Zukunft weniger Einwanderer aus der EU und anderswo nach Großbritannien kommen. Sie hat außerdem klar gemacht, dass es nach dem Brexit-Votum vorerst keine Bleibegarantie für in Großbritannien lebende Menschen aus der EU geben wird.
 
May hatte sich vor dem Votum gegen einen Brexit ausgesprochen. Jetzt wird es ihre Aufgabe sein, den Austritt aus der EU zu verhandeln - eine Mammut-Aufgabe, auf die weder David Cameron noch Boris Johnson Lust hatten. May wird sie auf pragmatische Weise angehen und dabei möglicherweise gut mit der Pragmatikerin Merkel zusammenarbeiten.
 

 Sie bezeichnet sich als Feministin

 Während sie als Innenpolitikerin knallhart ist, vertritt May gesellschafts- und wirtschaftspolitisch eher fortschrittliche Ansichten. Anders als die Wirtschaftsliberale Margaret Thatcher setzt May auf eine soziale Marktwirtschaft. Bei ihrem ersten Auftritt als künftige Premierministerin am Montag verkündete sie: "Wir glauben nicht nur an die Märkte, sondern an die Gemeinschaft. Und wir glauben, dass jeder und nicht nur die wenigen Privilegierten das erreichen sollen, was sie von ihrem Leben erwarten."
 
May bezeichnet sich selbst als Feministin. Sie hat in ihrer Partei systematisch Frauen gefördert und zum Aufstieg ermutigt. Als Innenministerin war sie zeitweise auch für Gleichstellung zuständig und hat Programme gegen häusliche Gewalt auf den Weg gebracht. Wie Angela Merkel umgibt sie sich mit einem Kreis von Beraterinnen. Auch wegen ihrer Vorliebe für bunte Jacketts wird sie immer wieder “Merkel aus Maidenhead” genannt (Maidenhead ist ihr Wahlkreis). Und wie Angela Merkel legt sie ihre Hände gerne zu einer Raute zusammen, eine Geste, die in der Frauenbewegung für Vagina-Power steht.
 

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