Kurswechsel am Mittelmeer

31.08.2011

Die deutschen Sommerurlauber ziehen weiter nach Osten: Spanien und Italien verlieren ihren Vorsprung gegenüber der Türkei


Von Tina Stadlmayer

Während die tunesischen und ägyptischen Strände im März wegen der politischen Unruhen gespenstisch leer blieben, herrschte auf den Kanaren und im Süden der Türkei Hochbetrieb. Rückholaktionen, gecancelte Flüge und Umbuchungen haben das deutsche Reisegeschäft in der ersten Jahreshälfte durcheinander gewirbelt. Nach den erfolgreichen Revolutionen reisen inzwischen wieder mehr Touristen nach Ägypten und Tunesien – trotzdem sind die Verluste noch lange nicht aufgeholt.

Dafür melden die liebsten Urlaubsländer der Deutschen, Spanien, Griechenland, Italien und Türkei, zum Teil zweistellige Zuwächse. „Für diejenigen, die im März verreisen wollten, boten sich als Ausweichziele für Tunesien und Ägypten die Kanaren oder die südliche Türkei an“, berichtet Nina Kreke, Sprecherin des Touristikkonzerns Thomas Cook: „Andere haben ihre Reise verschoben und für den Mai Mallorca, Griechenland, Bulgarien oder eines der vielen türkischen Strandhotels gebucht.“

Der Reisemarkt im Süden Europas sortiert sich gerade neu. Die traditionellen Lieblinge der deutschen Sommerurlauber, Spanien und Italien, haben durch die Türkei und osteuropäische Länder wie Bulgarien und Kroatien starke Konkurrenz bekommen. Wer einfach nur Sand und Sonne möchte, bekommt dies in den östlichen Ländern billiger. Deshalb werben Spanien, Portugal, Italien und Griechenland nun weniger um Strandurlauber, sondern mehr um anspruchsvolle, wohlhabende Touristen.

Ana Ausín, Direktorin des spanischen Fremdenverkehrsamts, rechnet für dieses Jahr mit mehr deutschen Touristen als in den Vorjahren – schließlich waren die Kanaren bereits im Februar und März so gut wie ausgebucht. Aber auch an die Festlandküste und nach Mallorca flogen wieder mehr Deutsche als in den Jahren zuvor. Der Touristikkonzern TUI verzeichnet derzeit einen zweistelligen Zuwachs an Spanienreisenden aus Deutschland. 2009 war der Tourismus nicht nur wegen der Wirtschaftskrise deutlich zurückgegangen. „Die Konkurrenz aus dem östlichen Mittelmeer, vor allem aus der Türkei und Ägypten, hat Spanien zu schaffen gemacht“, sagt TUI-Sprecherin Anja Braun. Im Sommer 2010 versuchten die spanischen Hoteliers deshalb, die Touristen mit starken Preisnachlässen zurückzugewinnen. Die Kehrseite: „Es fehlt uns nicht an Gästen, aber es kommt weniger Geld in die Kassen“, sagt Joan Padró vom Hotelierverband an der Costa Dorada. Deshalb will sein Land noch mehr als bislang auf kulturell interessierte sowie Wellness- und Aktivurlauber setzen.

Portugal punktet bereits heute erfolgreich mit der Kombination aus Kultur- und Badetourismus. Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist die Zahl der Übernachtungen deutscher Gäste gegenüber dem Vorjahr um knapp acht Prozent gewachsen. Lieblingsziele der Touristen sind die Badestrände an der Algarve und Lissabon mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten. Weil Portugal immer weniger auf billige Strandurlaube setzt, kam es im Krisenjahr 2009 relativ ungeschoren davon.

Das Gleiche gilt für Italien, dem nach Spanien beliebtesten Ziel der Deutschen. Auch Italienreisende kombinieren gerne ihren Strandurlaub mit Besichtigungs- oder Wandertouren. Sehr beliebt ist der Agriturismo: Hier mietet man sich auf einem der vielen Bauernhöfe ein und genießt nicht nur die Landschaft, sondern auch das gute Essen. Italien profitiert ebenfalls vom boomenden Kreuzfahrtmarkt.

Immer mehr Schiffe beginnen ihre Reise in Rom oder Venedig. Das ist lukrativ, denn Schiffstouristen geben in dem Land, in dem ihre Reise startet und endet, durch Übernachtungen und Einkäufe sehr viel mehr Geld aus als bei Zwischenstopps. Trotz der Zuwächse in diesem und im vergangenen Sommer, drohen Spanien und Italien ihren Rang als Lieblingsziele der deutschen Sommerurlauber an die Türkei zu verlieren. Nirgendwo anders in Europa sind in den vergangenen Jahren so viele neue Hotels entstanden. All-inclusive lautet das Zauberwort der türkischen Hoteliers. „Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten buchen Pauschaltouristen gerne Komplettpakete, bei denen keine Zusatzkosten mehr für Speisen, Getränke oder Sportmöglichkeiten anfallen“, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV). „Unsere Kunden lieben all-inclusive, weil es bequem ist und sie sich um nichts zu kümmern brauchen“, ergänzt TUISprecherin Braun. Während viele ältere Anlagen in Spanien nicht auf die Rundumversorgung eingestellt sind, bieten die neuen Hotels in der Türkei Essen und Getränke satt an. „Weil es hier viel Platz gibt, sind viele neue Anlagen im Village-Stil entstanden“, berichtet Braun: „Die Türkei hat erfolgreich auf trendige, moderne Hotelkonzepte gesetzt.“

Seinen Nachbarn Griechenland hat die Türkei inzwischen abgehängt. Viele ältere Hotels können nicht gegen die komfortablen türkischen Anlagen konkurrieren. Doch inzwischen sind auch in Griechenland neue Hotels entstanden. Nach dem Rückgang 2009 hat sich der Griechenlandtourismus in diesem Sommer erholt. Die großen Veranstalter berichteten von Zuwachsraten im zweistelligen Bereich, sagt Panagiotis Skordas, Direktor der griechischen Zentrale für Fremdenverkehr. Die meisten Deutschen lassen sich durch die Staatskrise nicht von einem Urlaub abhalten – und das, obwohl Taxis und Fähren aus Protest gegen die Regierung zeitweise ihren Betrieb eingestellt hatten. „99 Prozent der deutschen Urlauber, die mit Reiseveranstaltern unterwegs sind, fliegen auf eine der griechischen Inseln und sind deshalb von den Streiks nicht betroffen“, erklärt DRV-Sprecher Schäfer.

Auch nach Kroatien und Bulgarien sind in diesem Jahr Urlauber ausgewichen, die zuvor Tunesien oder Ägypten angepeilt hatten – vor allem jene, die nicht viel Geld ausgeben wollten. Noch verbringt die Hälfte der Kroatienurlauber ihre Ferien auf dem Campingplatz. Nun werden aber auch neue Hotels gebaut. „Wir versuchen auch die wohlhabenderen Touristen zu gewinnen“, sagt Romeo Draghicchio von der kroatischen Tourismuszentrale. Nach Bulgarien reisen derzeit ebenfalls Gäste, die für wenig Geld viel Spaß haben wollen. Der sogenannte Sonnenstrand am Schwarzen Meer ist zum Zentrum des Sauftourismus geworden. Vizewirtschaftsminister Iwo Marinow ist über diese Entwicklung nicht glücklich. „Bulgarien bietet viele Heilquellen und antike Kulturstätten“, umwirbt er solvente Wellness- und Kultururlauber aus Deutschland.

31.08.2011 / Tina Stadlmayer

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