So what the hell happens now? Großbritannien stimmt für den Brexit

24.06.2016

Daily Mirror

"So what the hell happens now?" titelt die linke Boulevardzeitung Daily Mirror und zeigt einen bedröppelten David Cameron mit seiner Frau. Was kaum jemand geglaubt hatte ist passiert: Die Briten haben mit 52 zu 48 Prozent für den Brexit gestimmt.

Wird sind geschockt und traurig. Franca überlegt, ob sie wirklich in London studieren möchte, oder ob sie doch lieber nach Berlin geht. Die Uni in London hat ihr schon eine Mail geschickt, dass sie sich vom Brexit nicht abschrecken lassen soll und, dass die Studiengebühren (vorerst) für EU-Mitglieder nicht steigen werden. Aber Franca sagt, sie fühle sich nicht mehr willkommen.

Das empfinde ich nicht so, denn in London haben immerhin 60 Prozent für den Verbleib in der EU gestimmt. In Camden, wo wir wohnen, waren es sogar deutlich mehr. Die Leute in unserer Straße sind genauso sauer und geschockt wie wir.

Am Freitagmorgen sollte ich zwischen sechs Uhr und neun Uhr live auf B5 aktuell erklären, warum die Briten für den Brexit gestimmt haben. Das war gar nicht so einfach, denn schließlich war ich auch total überrascht über das Ergebnis. Außerdem haben nicht die Briten für den Brexit gestimmt, sondern nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen.

Was waren ihre Motive? Ich habe vor der Abstimmung mit etlichen Brexit-Befürwortern geredet und dabei hat sich herauskristallisiert: Sie sind sauer. Sie glauben den Politikern und Experten nicht, die vor negativen wirtschaftlichen Folgen eines Brexits warnen. Immer wieder habe ich gehört: "Wir wollen uns von der EU nichts vorschreiben lassen." Und: "Es kommen zuviele Einwanderer aus der EU."

Offenbar hat die rechtspopulistische Propagande von Nigel Farage, Boris Johnson und vieler Zeitungen gewirkt: Nicht nur weniger Gebildete sondern auch Akademiker sind darauf herein gefallen. Interessant ist, dass die Ausländerfeindlichkeit wie in Deutschland dort am größten ist, wo es kaum Ausländer gibt (in den weniger dicht besiedelten ländlichen Gegenden). Dabei können die meisten Bauern ohne Erntehelfer aus Osteuropa (und ohne EU-Subventionen) ihre Betriebe dicht machen.

Aber auch in größeren Städten wie Birmingham hat eine Mehrheit für den Brexit gestimmt. Dort sind es überwiegend Labour-Anhänger, die Angst um ihre Jobs oder vor Lohndumping haben und die Schuld dafür  auf die Einwanderer schieben. Der Labour-Partei ist es nicht gelungen klar zu machen, dass nicht die Ausländer daran schuld sind, dass es den Leuten heute schlechter geht als früher. 

In der Brexit-Debatte hat sich eine tiefe Kluft aufgetan: zwischen London und dem Rest von England. Zwischen dem Süden und dem Norden Großbritanniens, zwischen ärmeren und wohlhabenderen Leuten, zwischen Jungen und Alten. Besonders bitter ist, dass die Älteren mit ihrem Votum der überwiegend Europa-freundlichen Jugend ein stückweit die Zukunft verbaut haben. Es wird bald nicht mehr so einfach sein, in ein EU-Land zu reisen, dort zu arbeiten oder zu studieren. Viele EU-finanzierte Forschungsprojekte und Stellen an den Unis sind jetzt bedroht.

Die Tories und die Labour-Partei sind tief gespalten. Nicht wenige fordern, Jeremy Corbyn solle als Labour-Vorsitzender zurücktreten, weil er sich nicht offensiv genug für den Verbleib in der EU eingesetzt habe. Und wer wird Nachfolger von David Cameron als Premierminister? Boris Johnson oder Theresa May? Vielleicht macht ja doch die toughe Theresa das Rennen.

Und was wird aus der offenen Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland? Schon befürchten einige, dass die alten Konflikte wieder aufbrechen. Was passiert mit den Schotten, die mit 62 Prozent für den Verbleib in der EU gestimmt haben? Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hat bereits angekündigt, dass es ein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit geben wird. Diesmal werden sich die Schotten aus Großbritannien verabschieden. Und dann bleibt nur noch Little Britain übrig.

 

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