TAKEN AT MIDNIGHT - Eine Mutter versucht ihren Sohn aus den Fängen der Nazis zu befreien. Ein ergreifendes Theaterstück.
Das Theatre Royal Haymarket wirbt mit Penelope Wilton
In der DDR-kannte jedes Schulkind den linken Anwalt und seine kämpferische Mutter, aber in Westdeutschland ist Hans Litten außerhalb fortschrittlicher Juristenkreise so gut wie unbekannt. Umso erstaunlicher ist der große Erfolg des Theaterstücks "Taken at Midnight" am Theatre Royal Haymarket mit Penelope Wilton in der Rolle von Irmgard Litten.
Der jüdische Rechtsanwalt Hans Litten hatte 1933 Adolf Hitler als Zeugen in einem Prozess gegen SA-Morde einberufen. 1930 hatte ein SA-Kommando das Tanzlokal Eden in Berlin überfallen. Hans Litten vertrat vier der verletzten Gäste. Er wollte zeigen, dass der Überfall von der Parteiführung organisiert worden war. Hitler wurde durch die Fragen des Juristen in die Enge getrieben. Er hat ihm diese Blamage nie verziehen.
Zwei Jahre später wurde Litten verhaftet. Es begann ein Martyrium für ihn in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern. Seine Mutter kämpfte jahrelang wie eine Tigerin für seine Freilassung. Sie verschaffte sich Gehör bei Nazi-Größen von Freisler bis Göring. Aber es war vergeblich. 1938 hielt Litten die Folterhaft nicht mehr aus und erhängte sich im KZ Dachau .
Penelope Wilton, bekannt aus Downton Abbey, ist ein Star in Großbritannien. Sie spielt die kämpfende Mutter bravurös. Auch Martin Hutson bringt eindrucksvoll den Wandel Littens auf die Bühne: vom brillanten Anwalt zum geschlagenen aber nicht gebrochenen Häftling. Typisch britisch ist, dass es trotz des todernsten Themas viel zu lachen gibt. Die Darsteller des Anarchisten Erich Mühsam und des Pazifisten Carl von Ossietzky als Littens Mitgefangene sind umwerfend.
Das Stück beruht auf dem Buch von Irmgard Litten "Eine Mutter kämpft gegen Hitler", in dem sie von ihren verzweifelten Bemühungen berichtet, ihren Sohn aus der Nazi-Haft zu befreien. Für den Autor des Stücks, Mark Hayhurst, steht Irmgard Litten stellvertretend für den tapferen Kampf der Mütter für ihre Söhne, zum Beispiel auch in Argentinien, auf der Plaza de Mayo. Irmgards Enkelin, die Schauspielerin Patricia Litten ist Hayhurst dafür besonders dankbar. Sie sagte dem ARD-Studio London: „So eine große Fähigkeit, sich in Menschen hinein zu versetzen, in die Frau, in dieses Muttertier, ohne eine Sekunde Gefahr zu laufen, pathetisch, kitschig zu werden, das ist wirklich ganz, ganz toll."
http://www.tagesschau.de/multimedia/audio/audio-10537.html
In Berlin gibt es immerhin seit 1951 eine Littenstraße und die Bundesrechtsanwaltskammer hat ihren Sitz im Hans-Litten-Haus. Doch die Geschichte des Anwalts und seiner kämpferischen Mutter ist weitgehend unbekannt. Das Stück, das in diesen Wochen das Londoner Publikum begeistert, müsste unbedingt auch in Deutschland aufgeführt und verfilmt werden.
Eine Neuauflage von Irmgard Littens Buch "Eine Mutter kämpft gegen Hitler" ist 2012 im Deutschen Anwaltverlag erschienen.
Patricia Litten liest aus diesem Text in dem Hörbuch "Trotz der Tränen", erschienen bei uccello.
Kommentare: 1
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natürlich kannte nicht jedes schulkind in der ddr hans Litten. woher denn? die erste nachkriegsausgabe von irmgards buch erschien 1947, die nächste erst 1984 (die biographie von Carlheinz von Brück aus den 1970ern hatten auch nur kleine auflagen) vielleicht hatte der eine oder andere den namen mal gehört. ich wurde erst "im westen" in den 1980er Jahren auf ihn aufmerksam, obwohl im osten aufgewachsen.
und mit "jüdischer Anwalt" wäre ich auch vorsichtig. die sache ist viel komplizierter. wie ich darauf komme? ich hab an einer biographie mitgeschrieben