Interview mit Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur Die Zeit

02.09.2007

Frauen schleppen Konflikte manchmal jahrelang mit sich herum“

Interview mit Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur „Die Zeit“


Als Sie 2004 als Chefredakteur der „Zeit“ antraten, haben Sie das Ziel formuliert, mehr Leserinnen gewinnen zu wollen. Ist Ihnen das gelungen?

Wir haben unsere Reichweite um 150.000 vergrößert, und diese Steigerung verdanken wir fast ausschließlich neu hinzugekommenen Leserinnen. Gleichzeitig sind uns die männlichen Leser treu geblieben. Besonders erfreulich ist, dass viele Neuabonnenten zwischen 20 und 30 Jahre alt sind.

Wie haben Sie das geschafft?

Wenn in der Innenpolitik wenig Spannendes geschieht, schreiben wir mehr über gesellschaftliche Themen. Besonders erfolgreiche Titel in den letzten Jahren lauteten zum Beispiel: „Was ist männlich?“, „Wir brauchen einen neuen Feminismus“, und „Die Emanzipationsfalle“. Artikel über die Mechanik der Macht interessieren Frauen und jüngere Leser weniger.

Sie hatten auch angekündigt, mehr leitende Positionen mit Frauen besetzen zu wollen. Haben Sie das geschafft?

Wir haben gerade beschlossen, ein Schlüsselressort mit einer Frau zu besetzen: Vom 1. August an wird Brigitte Fehrle unsere Hauptstadtredaktion leiten. Wir haben schon eine Chefin vom Dienst, eine Ressortleiterin des Reise-Teils, eine Foto-Chefin und eine Text-Chefin. Leider ist die Ressortleiterkonferenz aber immer noch überwiegend männlich besetzt. Deshalb laden wir inzwischen Redakteurinnen mit ein.

Ist es so schwer, Frauen für leitende Aufgaben zu finden?

Manche Kolleginnen, die dafür durchaus geeignet wären, sagen zum Beispiel, dass sie sich die Machtkämpfe unter Männern nicht antun wollen. So eine Stelle erfordert viel Frustrationstoleranz, sie bedeutet 10 Prozent Freude und 90 Prozent Pflicht. Männer gehen damit anders um. Ihnen ist das soziale Prestige wichtiger.

Verändern Frauen in leitenden Positionen die Zeitung?

"Beim "Tagesspiegel" gab es in meiner Zeit als Chefredakteur und auch danach eine Politik-Chefin, eine Wirtschafts-Chefin, eine Chefin der Parlamentsredaktion, eine Medien-Chefin, eine Feuilleton-Chefin und eine stellvertretende Chefredakteurin. Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. In den Redaktionskonferenzen wurde konzentriert an der Blattgestaltung gearbeitet, und es ging weniger um Statusmarkierung. Allerdings: Männer können Konflikte besser austragen als Frauen. Sie streiten sich einmal heftig, dann ist es wieder gut. Frauen schleppen Konflikte manchmal jahrelang mit sich herum.

Werden Sie die Zahl der Redakteurinnen bei der „Zeit“ erhöhen?

Seit meinem Antritt als Chefredakteur sind 45 Prozent der Neueinstellungen Frauen. Aber das Verhältnis in den Redaktionen ist noch nicht so, wie ich es mir wünsche.

Gibt es Teilzeit-Stellen bei der „Zeit“?

Einige Redakteure und Redakteurinnen reduzieren ihre Arbeitszeit, wenn sie Kinder bekommen. Im Literaturressort haben wir eine Stelle mit zwei Personen besetzt. Unter den verschiedenen Teilzeit-Modellen leidet aber leider oft die Kommunikation und Effizienz im Ressort.

Interview: Tina Stadlmayer

Zur Person: Giovanni di Lorenzo wurde 1959 als Sohn einer Deutschen und eines Italieners geboren. Er leitete die Seite-Drei-Redaktion der Süddeutschen Zeitung und war Chefredakteur der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“. Seit 2004 ist er Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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