Dann gibt's einen ungeheuren Aufstand

13.06.1988

Rita Süssmuth (CDU) und Heidi Wieczorek-Zeul (SPD) über Beratungsgesetz und Frauenpolitik


SPIEGEL: Frau Wieczorek-Zeul, ist Rita Süssmuth für Sie nur eine Alibi-Frau?

WIECZOREK-ZEUL: Ich habe den Eindruck, daß die Menschen sehr genau unterscheiden können zwischen der Person Rita Süssmuth, die sie sicher sympathisch finden, und der frauenunfreundlichen Politik der CDU/CSU. Umfragen zeigen: Trotz Rita Süssmuth ist die frauenpolitische Kompetenz der CDU/CSU in den Augen der Menschen noch mehr gesunken. Von daher kann man nicht sagen, Frau Süssmuth ist eine Alibi-Frau. Zugespitzt muß man sagen, Frau Süssmuth ist, wenn sie ihre frauenpolitischen Ziele tatsächlich durchsetzen will, in der falschen Partei.

SPIEGEL: Und Sie, Frau Süssmuth, fühlen Sie sich als Alibi-Frau?

SÜSSMUTH: Nein, und ich weise diese Bezeichnung auch für jede andere Politikerin zurück. "Alibi-Frau" ist eine Diskriminierung für jede Politikerin. Ich bin durchaus in der richtigen Partei mit einer frauenfreundlichen Politik: Wer hat denn Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub sowie einen eigenen Rentenanspruch für Kindererziehung durchgesetzt? Die SPD ist fest davon ausgegangen, mit der Regierungsübernahme der Union komme das Zurück der Frauen ins Haus. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Wir haben eine der schwierigsten Arbeitsmarktlagen, dennoch waren noch nie so viele Frauen erwerbstätig wie gegenwärtig. In der Frage Vereinbarkeit Familie und Beruf sind sicherlich noch Berge zu bewegen. Die richtigen Ansätze dazu aber sind vollzogen. Natürlich ist der Nachholbedarf in der Frauenpolitik groß.

WIECZOREK-ZEUL: Die Zahl erwerbstätiger Frauen hat zwar zugenommen, aber das Volumen der geleisteten Arbeit ist gleichgeblieben. Die Frauenerwerbsquote liegt in der Bundesrepublik extrem niedrig bei 38 Prozent. Das heißt: Frauen arbeiten in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Die Zahl der nicht sozial abgesicherten 440-Mark-Verträge nimmt zu. Wir haben das Problem der sogenannten kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit: Die Frau wartet zu Hause auf Abruf, in das Filialgeschäft zu kommen. Bezahlt wird sie nur für den Zeitraum, in dem sie im Unternehmen tätig ist. Die Arbeitslosenquote bei Frauen liegt mit rund zehn Prozent deutlich über der von Männern. Befristete Arbeitsverträge sind seit 1985 sprunghaft angestiegen. Damit wird der Mutterschutz ausgehöhlt. Die gesamte Anlage dieser Wirtschaftspolitik geht zu Lasten der Frauen. Es ist Macho-Economics, im wahrsten Sinne des Wortes. Frau Süssmuth, ich finde Sie selber persönlich sympathisch. Aber Sie müssen doch sehen, daß Sie genutzt werden, um Frauen an die konservative Politik Ihrer Partei zu binden, von der sie sich abwenden wollen.

SÜSSMUTH: Die Fakten sehen doch ganz anders aus: Jährlich gelingt 320 000 Frauen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt. 60 Prozent der neugeschaffenen Arbeitsplätze mit Versicherungsschutz entfallen auf Frauen. Unbestritten ist - das ist nun amtliche Statistik -, daß heute 64 Prozent der 25- bis 45jährigen Frauen erwerbstätig sind. Der Umfang an Teilzeitarbeit ist bei uns sehr viel geringer als in den anderen europäischen Ländern.

WIECZOREK-ZEUL: Über 80 Prozent des Beschäftigungszuwachses bei Frauen kommen doch durch Teilzeitarbeit zustande. Wenn Frauen wegen der Kindererziehung aus dem Beruf ausscheiden, sind ihre Chancen, wieder einzusteigen, extrem gering. Wir sollten gemeinsam im Bundestag für ein Gleichstellungsgesetz kämpfen, das wirklich Zähne hat und zum Beispiel Frauenförderpläne verbindlich macht. Im 70. Jahr des Frauenwahlrechts sollten wir endlich wirklich was für die Gleichstellung der Frauen tun, statt wie die Bundesregierung eine Politik zu betreiben, die sie als unmündige Wesen betrachtet.

SÜSSMUTH: Also, ehe wir auf eine gemeinsame Frauenpolitik kommen, sollten wir zunächst einmal über unsere unterschiedlichen Auffassungen sprechen: Für mich ist die volle berufliche Integration aller Frauen ohne Unterbrechungsmöglichkeiten noch keine Gleichberechtigung. Ich habe eben eine andere Vision: nicht von einem starren Lebenslauf - mit der Ausbildung in den Beruf und mit dem Rentenalter wieder heraus -, sondern Wahlmöglichkeiten für Männer und Frauen, sowohl, was Teilzeit und Vollzeit betrifft, als auch den Wechsel zwischen Familien- und Erwerbstätigkeit. Ich denke, es ist längst an der Zeit - darin steht uns Oskar Lafontaine näher als Sie -, Arbeit außerhalb der Erwerbsarbeit, also Kindererziehung und Pflege, in unsere sozialen Sicherungssysteme einzubeziehen. Ich möchte zukünftige Frauengenerationen, die diese Arbeit außerhalb der Erwerbsarbeit geleistet haben, nicht im Alter in der Sozi-Aalhilfe sehen. _(Beim Streitgespräch im Bonner ) _(SPIEGEL-Büro; das Gespräch moderierten ) _(die Redakteure Dirk Koch und Tina ) _(Stadlmayer. )

WIECZOREK-ZEUL: Das System, das Sie propagieren, ist das eigentlich starre. Es zementiert nämlich die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern: Die Frauen scheiden der Kindererziehung wegen aus dem Beruf aus oder verdienen "dazu" und sind deshalb im Beruf und bei der Rente benachteiligt. Im übrigen engagieren wir uns seit langem dafür, Kindererziehungszeiten in der Rente für alle Frauen zu berücksichtigen. Meine Vision ist die einer Gesellschaft, in der die bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Partnern aufgeteilt werden kann. Deshalb ist radikale Arbeitszeitverkürzung so notwendig. Aber bei Arbeitszeitverkürzung bremsen CDU/CSU und FDP. Notwendig ist auch ein dreijähriger Elternurlaub mit Arbeitsplatzgarantie, der Mutter und Vater die Möglichkeit gibt, sich wirklich ihrer Kinder anzunehmen.

SPIEGEL: Wir wollen uns mit dem befassen, was ist. Sind Sie mit der Frauenpolitik der Regierung Kohl zufrieden? SÜSSMUTH: Wenn ich mit dem bisher Erreichten zufrieden wäre, gäbe es nichts mehr zu tun. Es gibt gegenüber SPD-Zeiten beachtliche Verbesserungen, zum Beispiel das Erziehungsgeld, das Frauenministerium oder das Babyjahr in der Rente.

SPIEGEL: Das Grundgesetzgebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau sehen Sie also längst nicht verwirklicht?

SÜSSMUTH: Nein, aber nennen Sie mir ein Land, wo die Gleichberechtigung wirklich durchgesetzt wäre. Erst einmal muß sich Bewußtsein verändern. Nehmen Sie folgenden Fall: Ein Bankangestellter wollte Elternurlaub. Die erste Reaktion war: Also den können wir vergessen, jetzt fängt der auch noch an zu spinnen. Es war dann einem etwas nachdenklichen Vorstandsmitglied zu verdanken, daß das anders lief. Da stehen wir noch ganz am Anfang.

SPIEGEL: Vor allem jüngere Frauen trauen der CDU offenkundig nur sehr bedingt zu, die Gleichberechtigung voranzubringen. Mit Ihrem Entwurf für das Schwangeren-Beratungsgesetz enttäuschen Sie nun endgültig.

SÜSSMUTH: Bei 200 000 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr kann man nicht sagen, daß der Lebensschutz gewährleistet wäre. Deshalb müssen wir handeln, und wir wollen dies mit einer Verstärkung der Beratung und Hilfe, ganz wie es auch im Bundesverfassungsgerichtsurteil in den Vordergrund gestellt worden ist. Auch die Frage der verantwortlichen Elternschaft - Familienplanung - gehört dazu. Das Beratungsgesetz ist die Alternative zu einer Versschärfung des Strafrechts, die keinen besseren Schutz des ungeborenen Lebens gewährleisten würde.

SPIEGEL: Werden Sie denn durch dieses Beratungsgesetz die Zahl der Abtreibungen senken?

SÜSSMUTH: Das Gesetz allein wird das Problem nicht lösen. Entscheidend ist: Wie wird beraten, werden Hilfen ausgebaut und wahrgenommen? Im Mittelpunkt steht für mich, das Leben des ungeborenen Kindes zu retten. Nun weiß ich auch, daß dies nicht immer zu erreichen ist, daß es nicht nur extreme materielle Notlagen, sondern auch seelische Konflikte gibt.

WIECZOREK-ZEUL: Seit der Reform des Paragraphen 218 in den siebziger Jahren ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche gesunken. Für mich ist der Titel Beratungsgesetz schlicht und einfach ein Trick. Das ist in der Praxis ein Bevormundungsgesetz. Es hat sich ja jetzt schon als solches erwiesen, ich hab'' mit wirklich vielen Beraterinnen und Beratern gesprochen, auch aus dem kirchlichen Bereich. Da wird ganz klar ersichtlich, daß niemand diesen Gesetzantrag als Hilfe ansieht. Er soll eine Einschüchtterung bei Ärzten bewirken, er soll Frauen einschüchtern, er soll Beraterinnen und Berater einschüchtern. Das finde ich schlimm. Das Gesetz wird dafür genutzt, den 218 auszuhöhlen. Die Union hat gemerkt, wenn sie den Paragraphen 218 selbst verschärft, dann gibt''s einen ungeheuren Aufstand. Also versucht man das eben auf eine andere Art und Weise. Es ist keine Beratung, wenn man das Ziel der Beratung vorgibt. Es soll so organisiert werden, daß zwischen Beratung und Indikationsstellung mehr Zeit und mehr Wege liegen. Die Frauen werden abgeschreckt. Die Konsequenz ist nicht der Schutz von ungeborenem Leben, sondern die illegale Abtreibung hier oder die Fahrt ins Ausland. Dann sinken vielleicht die Zahlen der Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik noch mehr, steigen aber in Großbritannien und den Niederlanden. Das ist eine ungeheure Heuchelei.

SÜSSMUTH: Wenn es solche Ängste in der Öffentlichkeit gibt, dann doch deshalb, weil dauernd suggeriert wird: Hier kommt ein Gesetz, was euch drangsaliert. Warten Sie doch erst mal ab, was sich nach dem Gesetz tatsächlich ändert. Sie tun jetzt so, als brächten wir was völlig Neues in das Gesetz hinein. Eine Beratung, die schwangere Frauen ermutigt, die zugleich einfühlsam auf ihre Not und ihren seelischen Konflikt eingeht, ist weder etwas Neues, so steht es nämlich im Verfassungsgerichtsurteil, noch - dies ist eine der besonders bösartigen Unterstellungen in der bisherigen Diskussion - eine Bevormundung. Neu ist nur die Ausweitung der Beratung, die Verstärkung der Nachsorge und der Hilfen. Sie kritisieren, daß die Beratung und die Indikation getrennt werden. Bei zwei Dritteln der Beratungen ist das auch heute schon so. Beabsichtigt ist, daß sich die Frau umfassend von einer Person beraten lassen kann, die nicht über die Indikation entscheidet. Was Frauen als Nachteil erleben: Sie müssen ihre Probleme mehreren Personen darlegen. Diese Schwierigkeit sehe ich durchaus. Bei der Abwägung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß die personelle Trennung dem in der Beratung zu klärenden Konflikt besser gerecht wird.

WIECZOREK-ZEUL: Ihr Hauptproblem ist, daß Ihre Freunde aus Bayern und Baden-Württemberg in dieser Sache Druck ausüben. Es gibt aber Punkte, wo man sagen muß, mit mir nicht. Ich habe unterstellt, daß Sie eine Frau sind, die _(Holzschnitt aus dem 19. Jahrhundert. ) Mut hat. Ich würde eigentlich in einem solchen Fall erwarten, daß Sie sich hinstellen und sagen: mit mir nicht. Mit Ihrem Gesetz werden für die Frauen entwürdigende Hürden aufgebaut.

SÜSSMUTH: Hürden wären nicht hilfreich, dem stimme ich zu. Genausowenig hilfreich ist es, Frauen Beratung und Hilfe zu verweigern und sie lediglich darauf zu verweisen, daß sie ja abbrechen können.

WIECZOREK-ZEUL: Die "Hilfen", die augenblicklich zur Verfügung stehen, beschränken sich auf manchmal wenige hundert Mark ohne Rechtsanspruch. Wichtiger als der überflüssige Gesetzentwurf wäre ein Gesetz, das Müttern die Einstellung nach ihrer Ausbildung garantiert oder die längere Zahlung von Bafög - also Hilfen mit Rechtsanspruch. Zwangsberatung löst keine Konflikte. Alle Untersuchungen, auch Gespräche, die ich geführt habe, zeigen, daß die Frau, die sich in dem Konflikt befindet, ob sie das Kind austragen soll oder nicht, in einer freiwilligen offenen Beratung am ehesten die Chance hat, sich selbst zu entscheiden. Der Kernpunkt meiner Kritik ist: In Ihrem Entwurf wird das Ziel "der Beratung" vorgegeben. Damit fallen wir in Zeiten zurück, in denen Frauen als unmündig behandelt wurden.

SÜSSMUTH: Da muß ich ganz energisch widersprechen. Erstens: Es gibt bereits jetzt die Pflicht, sich beraten zu lassen.

WIECZOREK-ZEUL: Aber jetzt soll einseitig so beraten werden, daß die Frauen zum Austragen der Schwangerschaft überredet werden.

SÜSSMUTH: Was heißt hier einseitig? Für mich geht es hier um Leben, das des Kindes und das der Mutter. Sind wir einig in der Ansicht, daß die Beratung nach Gesetz und Verfassungsgerichtsurteil dem Schutz des ungeborenen Lebens und der Sorge für die Schwangere zu dienen hat? WIECZOREK-ZEUL: Der vorgelegte Gesetzentwurf wird jedenfalls ungeborenes Leben schlechter schützen als die bisherige Regelung, denn er treibt Frauen in die Illegalität. Und im übrigen hat der Gesetzentwurf eine einzige politische Funktion, Frauen unter Druck zu setzen.

SPIEGEL: Helmut Kohl wollte das Gesetz noch vor dem Parteitag im Kabinett verabschieden. Die CSU legte sich quer. Wird sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen, daß in Bayern auch künftig ein noch schärferes Beratungsgesetz gelten soll?

SÜSSMUTH: Ich denke nicht daran, die notwendige Abklärung hier im SPIEGEL vorwegnehmen zu wollen.

SPIEGEL: Sie beide bezeichnen sich als Feministinnen. Sie sind aber beide mit Hilfe von Männern in Ihren Männerparteien in Ihre jeweiligen Positionen gekommen. Wie paßt das zusammen?

SÜSSMUTH: Darin sehe ich keinen Widerspruch. Wer anders als die Männer hätte die Frauen in den bisherigen "Männerparteien" - um Ihren Ausdruck aufzugreifen - denn unterstützen sollen? Aber die Solidarität von Männern hat ihre Grenzen, wenn es an das Eingemachte geht, wenn die Macht geteilt werden muß.

SPIEGEL: An welche Ihrer Kabinettskollegen denken Sie?

SÜSSMUTH: Die brauche ich hier nicht zu nennen, die wissen schon, wen ich meine.

WIECZOREK-ZEUL: In der Zeit, in der ich Juso-Vorsitzende war, gab''s ganz wenige Frauen als politische Vorbilder. Da bin ich geprägt worden durch entsprechende Männerstrukturen in der Partei. Ich habe gelernt, zusammen mit der Frauenbewegung, daß man das anders machen kann und auch anders machen muß, weil man sonst auch Männer nicht verändert. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, daß viele Frauen politisch aktiv werden. Wir sind jetzt nach langen Mühen zu der Quotenregelung - 40 Prozent aller Ämter und Mandate für Frauen - gekommen, die der SPD-Parteivorstand beschlossen hat. Und die der Parteitag verabschieden wird. Ist das ein Beispiel für die CDU?

SÜSSMUTH: Wir haben ja mit unseren Essener und Mainzer Beschlüssen ganz gut dazu beigetragen. Aber ich habe gar nichts dagegen, daß wir uns wechselseitig darin bestärken, daß Zielvorgaben sein müssen. Ich setze mich dafür ein, daß in der CDU alle Ämter und Mandate entsprechend dem Frauenanteil bei den Mitgliedern von Frauen besetzt werden sollen. Wenn diese Zielvorgabe uns nicht entscheidend weiterbringt, müssen wir über Quoten nachdenken.

SPIEGEL: In vielen grundsätzlichen Bereichen sind Sie in Ihren Zielen sehr nahe beieinander. Warum sind Bündnisse der Frauen zwischen den Parteien bei unstrittigen Themen nicht möglich, zum Beispiel beim Gesetz gegen die Vergewaltigung in der Ehe?

WIECZOREK-ZEUL: Im Europa-Parlament hat''s geklappt. Wir haben vor acht Jahren einen Ausschuß eingerichtet für die Rechte der Frauen. Dort haben Frauen in vielen Fragen Bündnisse gemacht - und zwar von Kommunistinnen bis zu Christdemokratinnen - zu Arbeitszeitverkürzung, 35-Stunden-Woche, Reform der Schwangerschaftsabbruch-Regelungen, also in Punkten, wo hier eine ganze Menge Leute laut schreien würden. Warum das im Bundestag nicht klappt? Letztendlich ordnen die Frauen in den Regierungsparteien ihr Abstimmungsverhalten der Regierungsdisziplin unter.

SÜSSMUTH: Das ist doch nun wirklich kein Problem der Frauen in den Regierungsparteien. Ich habe jedenfalls noch nie erlebt, daß die Frauen in der Opposition einem frauenrelevanten Gesetzentwurf dieser Regierung zugestimmt hätten. Mit der Frauensolidarität ist es nicht getan. Wenn wir die Vergewaltigung in der Ehe mit der Vergewaltigung außerhalb der Ehe gleichstellen wollen, kommt es darauf an, die Männer in den Fraktionen zu überzeugen.

WIECZOREK-ZEUL: Bisher hat diese Regierungskoalition erst ein Gesetz zu den Frauen vorgelegt: das Beratungsgesetz gegen die Frauen. Wir wollen an dem Problem aber nicht vorbeireden. Das Problem ist die Unterordnung in letzter Konsequenz ...

SÜSSMUTH: ... Diesen Konflikt gibt es bei Ihnen und bei uns.

WIECZOREK-ZEUL: Meine Erfahrung aus dem Europäischen Parlament ist, daß Frauen gegen Männerbünde etwas durchsetzen können. Das würde ich mir in Bonn auch wünschen.

SPIEGEL: Frau Süssmuth, Frau Wieczorek-Zeul, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Beim Streitgespräch im Bonner SPIEGEL-Büro; das Gespräch moderierten die Redakteure Dirk Koch und Tina Stadlmayer. Holzschnitt aus dem 19. Jahrhundert.

DER SPIEGEL 24/1988

13.06.1988 / D. Koch und T. Stadlmayer

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