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Ist der Mann in der Krise?

03.07.1989

SPIEGEL-Redakteurin Tina Stadlmayer über ein Männer-Hearing der Bonner SPD-Fraktion


Man habe sich in der Mittagspause auf dem Männerklo getroffen, dem einzigen frauenfreien Raum im deutschen Bundestag, berichtete ein Teilnehmer der SPD-Anhörung "Die Frauenfrage als Männerfrage". Dort seien sich die Herren einig gewesen: Soviel Häme und Aggression von seiten der Frauen habe man nicht verdient.

Das WC als herrschaftsfreies Örtchen, auf dem sich Geschlechtsgenossinnen ihr Leid klagen - das kennt sonst frau von Parteitagen, Jahresversammlungen und Redaktionssitzungen. Beim Hearing der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zur verunsicherten Männlichkeit waren vergangene Woche die Verhältnisse umgekehrt. Gegenüber der Veranstalterin Renate Schmidt schaltete der Genosse Abgeordnete Ludwig Stiegler auf Selbstbehauptung im "Matriarchat". Und die anwesende Männerminderheit wurde auch noch gnadenlos ausgelacht, wenn sie sich Blößen gab.

Dabei waren diese Männer keine Nobodys. In die "Höhle der Löwinnen", wie sie die Diskussionsleiterin Barbelies Wiegmann empfing, hatten sich die Polit-Machos Norbert Blüm (CDU), Otto Graf Lambsdorff (FDP), Volker Hauff (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) gewagt, um die Frage zu klären, welchen Beitrag sie zur Gleichstellung von Mann und Frau leisteten. Sie reagierten allesamt unsicher und spürten, daß das Frauenpublikum die gewohnten Worthülsen zur Gleichberechtigung unerbittlich zurückweisen würde. Norbert Blüm schmückte sich damit, daß unter ihm eine Frau zur Ministerialdirektorin aufgestiegen sei. Eigentor.

Unter höhnischem Gelächter der Frauen aus dem Publikum mußte er zugeben, daß dieser einzigen Frau in seinem Hause fünf männliche Ministerialdirektoren gegenüberstehen. Der Minister floh in die Publikumsbeschimpfung. Trotzig beschwerte er sich, das Auditorium behandele die Männer auf dem Podium wie "Deppen und Trottel".

Otto Graf Lambsdorff versuchte es mit dem Leistungsprinzip: Fähige Frauen könnten sich im Berufsleben genauso durchsetzen wie qualifizierte Männer. Giftig quittierte er den Zwischenruf seines SPD-Kollegen Volker Hauff, in den Führungspositionen säßen schließlich jede Menge unqualifizierte und unfähige Männer.

Doch die Ranschmeiße half auch dem Sozi nichts. Viele lachten, wenige klatschten, als er von zu Hause erzählte: In seiner Familie sei jeder, also auch er, einmal in der Woche fürs Abendessen zuständig gewesen. Leider könne er diesen Beitrag zur Hausarbeit als Oberbürgermeister von Frankfurt aus Zeitmangel nicht mehr bringen.

Norbert Blüm schwadronierte von der "Verweiblichung der Gesellschaft". Der Wirtschaftsgraf bemühte den Verfassungsauftrag zur Gleichberechtigung, und Hauff offenbarte "schmerzliche Veränderungsprozesse". Es wurde gekichert, ach wie gemein.

Da gefiel den Männerbeobachterinnen doch eher der Macho Joschka Fischer: Ein Objekt zum Draufhauen oder zum Umarmen, gab er doch wenigstens ehrlich zu, daß er keine Lust habe, seinen Job für eine Frau frei zu machen oder weniger zu arbeiten - "weil mir die Politik Spaß macht". Der kernige Grüne, der auf seine "Verweiblichung" pfeift, während sie der Machtverwalter der CDU gleich der ganzen Gesellschaft verschreibt: So paradox genießt frau die Krise als Schau.

In der Realität ist und bleibt die Frauenfrage eine Männerfrage: In der Arbeitswelt sind es Männer, die als Chefs den Aufstieg von Frauen behindern; in der Familie drücken sich Männer vor der Kindererziehung, lösen allzuoft Konflikte mit Gewalt, kümmern sich nicht um Schwangerschaftsverhütung, und so weiter und so fort. Die meisten Probleme von Frauen werden - darüber waren sich die Sozialdemokratinnen einig - von Männern verursacht. Wenn sich wieder einmal Frauen und Männer nicht verstanden, noch weniger verstanden sich die Promis auf dem Podium mit jungen Leuten aus Männergruppen, die eine Art gesellschaftlicher Uraufführung auf der politischen Bühne in Bonn absolvierten. Und auch eine neue, rare Spezies von sogenannten Männerforschern trat in Erscheinung, beharkte sich prompt und provozierte überdies weibliche Wut mit überspitzten Thesen oder weinerlicher Selbstschau.

Kein Wunder, daß sich die Frauenbeauftragte eines Rundfunksenders darüber empörte, wie Männer über die Lasten jammerten, erfolgreich sein zu müssen. Klar auch, daß die ehrenamtlich tätige Frauenforscherin kein Verständnis hatte für die Forderung nach bezahlter Männerforschung, solange 98 Prozent aller Lehrstühle von Männern besetzt sind. Eine Zuhörerin brachte den Unmut auf den Punkt: Sie sei erst dann bereit, über eine Krise des Mannes nachzudenken, "wenn die Gleichberechtigung einigermaßen verwirklicht ist".

Mutig, aber auch ein wenig peinlich das Geständnis des Berliner Sozialwissenschaftlers und Männergruppen-Mitglieds Georg Brzoska, er sei "unsicher und habe Angst", vor diesem Publikum zu reden. Als er dann Männerforscher kritisierte, die eine "positive Männlichkeit" anstrebten, ohne "die Privilegien zu sehen, die sie alltäglich besitzen", flogen ihm die Feministinnenherzen zu.

Ein Vertreter des Beratungszentrums "Manege Berlin" berichtete über die Gründe, warum Männer bei ihnen Hilfe suchten: gescheiterte Beziehungen, sexuelle Probleme, fehlende Freundschaften zu Männern. Die "Manege" bietet ihnen Einzelgespräche, Gruppen und Workshops an. Andere Organisationen, wie das "Männerbüro Göttingen", haben Kurse über "Autowahn", "Vatersein" oder "Paragraph 218" im Programm, bei denen die Teilnehmer weibliche Persönlichkeitsmerkmale entdecken und die "Herrschaft des Mannes über die Frauen" (Manege Berlin) überwinden wollen. Und im übrigen, so einer der Göttinger, sei es ja auch für heterosexuelle Männer "einfach schön, mit Männern zusammen zu sein".

Dabei gibt es seit den Zeiten der Sammler und Jäger reichlich Männerbünde - in Armeen, Vorstandsetagen, Fußballvereinen und an Stammtischen: Nur pflegt man dort nicht über die gerade dargestellte Rolle des Mannes nachzudenken.

Ist man also in der Krise? Haben ihn Feministinnen- oder Quotenfrauen an den Herd gescheucht, ihm den Siegerkranz geklaut, in ihm einen wirklichen Partner gefunden?

Gemach. Die unter den Genossinnen keimende Begeisterung über die "sich bewegenden Männer" (Männerbüro Göttingen) wurde von der Dortmunder Frauenforscherin Sigrid Metz-Göckel jäh gedämpft. In einer repräsentativen Untersuchung hatte die Professorin festgestellt: Neue Männer, die sich wirklich an Hausarbeit und Kindererziehung beteiligen, sind seltene Exemplare.

Die Bonner Rechtsanwältin Barbelies Wiegmann ergänzte die Negativbilanz durch die Schilderung von "Schattenvätern": 40 Prozent aller geschiedenen Männer kümmerten sich keinen Deut mehr um ihre Sprößlinge. Ist Mann so? So wie die Politiker, die zwecks Stimmenfang über Frauenfragen reden, um hernach Männermacht zu zelebrieren? So wie die Männerforscher, die viele Erklärungen finden, bloß nicht den idealen Mann?

Nur kurz blinkte auf, wie die "männliche Gesellschaft zur menschlichen Gesellschaft" (SPD-Slogan) werden könne. Der Berliner Sozialwissenschaftler Peter Grottian las aus der Regierungserklärung des rot-grünen Berliner Senats vor: Wer als Politiker/in ein unmenschliches Leben lebt, hat wenig Glaubwürdigkeit, von anderen ein glaubwürdiges Leben zu reklamieren. Deshalb wollen wir bei den Senatorinnen und Senatoren anfangen. Wir werden den zeitraubenden Männerstil der Sitzungen verkürzen, zeitverschwendende Arbeitsessen werden drastisch reduziert. Wir wollen vorführen, daß eine neue Aufteilung der Arbeit zwischen Frauen und Männern einen persönlichen politischen und gesellschaftlichen Gewinn darstellt. Doch es war nur ein Traum. Grottian hatte vorgetragen, wie er sich eine Regierungserklärung vorgestellt hätte.

03.07.1989 / Tina Stadlmayer

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