Zerstörerische Zerwürfnisse im Mittelstand

07.10.2009

Familienunternehmen scheitern oft nicht am Markt sondern an Konflikten im Gesellschafterkreis. Doch Konflikte lassen sich auch vermeiden.


Von Tina Stadlmayer

Macht und Milliarden, schöne Frauen und schnelle Autos - der verbissene Familienkrieg im Porsche-Piëch-Clan, gleicht einem Hollywood-Drama. Vorläufiges Ergebnis des jüngsten Streits zwischen Wolfgang Porsche und seinem Cousin Ferdinand Piëch: VW kauft Porsche . Bis 2011 sollen beide Unternehmen verschmolzen werden.

Die Fehde zeigt, dass Familienunternehmen schnell im Chaos versinken, wenn nicht alle an einem Strang ziehen. "80 Prozent der untergehenden Familienfirmen scheitern nicht am Markt, sondern an Problemen zwischen den Gesellschaftern", sagt Tom Rüsen vom Institut für Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke. Der Grund dafür sei das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Wertsysteme: "Da ist die unternehmerische Logik, wonach der Beste und der Fitteste am meisten Einfluss erhält. Im System Familie gelte dagegen Zugehörigkeit mehr als Leistung."

Oft eskalieren deshalb Konflikte in Familienunternehmen. Besonders anfällig sind Großfamilien mit vielen Kindern und Angeheirateten. Wo der eine Gesellschafter in die Firma investieren möchte, braucht der andere das Geld vielleicht für andere Zwecke. Im schlimmsten Fall blockieren sich die Familienmitglieder gegenseitig. Oder sie verständigen sich, wie bei der Brauerei Gaffel in Köln, nur noch über Anwälte.

Familienunternehmen haben zwar viele Vorteile gegenüber Kapitalgesellschaften: kürzere Entscheidungswege, mehr Flexibilität und eine längerfristige Planung. In Krisenzeiten verhält sich die Belegschaft meist loyal, und Familie und Gesellschafter stehen als zuverlässige Kapitalgeber im Hintergrund. Doch in schwierigen Zeiten häufen sich auch die Meinungsverschiedenheiten. Zur Krise im Unternehmen kommt dann auch noch die Krise in der Familie.

Laut Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, muss deshalb in einer Unternehmer-Großfamilie eine von allen akzeptierte Autoritätsperson das Familienmanagement betreiben. Sie sollte Konflikte rechtzeitig erkennen und im Streitfall schlichten. Im Porsche-Piëch-Clan fehle eine solche Persönlichkeit, deshalb sei die Fehde so eskaliert. Als positives Beispiel nennt Hennerkes die Familie Haniel. Dort halte Franz Haniel die Familie zusammen.

Die Gefahr, dass sich die Haniels in die Haare geraten, ist allerdings auch ungleich geringer als bei VW und Porsche: "Niemand von Haniel arbeitet bei Haniel" lautet das Familienmotto. Die Geschäfte werden ausschließlich von Managern geführt, die nicht zur Familie gehören. Das ist bei den meisten kleineren und mittleren Familienbetrieben anders. Viele Firmen werden inzwischen von der zweiten oder dritten Generation geführt. Streit zwischen Geschwistern und Cousins, Scheidungen oder der plötzliche Tod eines Hoffnungsträgers können das Unternehmen ins Straucheln bringen.

Verspätetes Handeln aus Angst

Gleichzeitig können Unternehmenskrisen aber auch intakte Familiengefüge sprengen. Ein extremes Beispiel ist der Fall des Großunternehmers Adolf Merckle. Der Gründer des Pharmakonzerns Ratiopharm hatte sich im Januar vor einen Zug geworfen. Wegen Aktienspekulationen war der Vater von vier Kindern in Finanznöte geraten.

"Merckle hat die Risiken für seine Unternehmen zu spät erkannt und sich keine Beratung von außen geholt", sagt Hennerkes. "Scham und Angst vor dem Gesichtsverlust führten zur Katastrophe." Das wäre zu vermeiden gewesen, wenn er nicht alle Entscheidungen alleine getroffen hätte.

Die Angst vor einem Gesichtsverlust führt laut Mittelstandsexperte Rüsen nicht selten dazu, dass Unternehmer in Krisenfällen zu spät handeln oder sich übermäßig verschulden, um niemanden entlassen zu müssen. Familienunternehmen bräuchten nicht nur in Krisenzeiten qualifizierte Beratung. Noch wichtiger als ein guter Berater, sagt Hennerkes, sei jedoch ein Beirat, in dem die Familie keine Mehrheit habe. Dieses Gremium - vergleichbar mit einem Aufsichtsrat - entscheidet über die Bestellung und Entlassung von Geschäftsführern sowie über Ausschüttungen und Sonderrechte für die Familiengesellschafter.

Als ebenso wirkungsvoll hat sich eine Familiencharta erwiesen, in der die Beteiligten definieren: Wer sind wir? Wie regeln wir Konflikte? "Das ist zwar juristisch nicht bindend, aber es führt zu einem Abgleich der Positionen und im besten Fall zu einer Verständigung über grundsätzliche Haltungen", sagt Rüsen. Auch Familientage, an denen sich der Clan trifft und über sich und das Unternehmen spricht, können helfen, Konflikte zu vermeiden. Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, einen Investor ins Unternehmen zu holen. "Seine Anwesenheit könnte die Beteiligten zu einer gewissen Disziplin zwingen", sagt Rüsen.

Neben solchen familiären Streitigkeiten kann auch der Generationenwechsel ein Familienunternehmen in die Bredouille bringen. Bei einem Drittel der Betriebe ist die Nachfolge nicht geklärt, heißt es in einer Studie der Deutschen Bank. Eine "gute Lösung", sagt Hennerkes, habe die Familie Steigenberger gefunden. Als Egon Steigenberger 1985 starb und kein Nachfolger in Sicht war, wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Daran hielt die Steigenberger-Familie zuletzt 99,6 Prozent der Anteile. Als die Familie erkannte, dass sie die Expansion nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren konnte, verkaufte sie das Unternehmen an einen kapitalstarken Investor und rettete so ihr Familienvermögen.

Auch im Volkswagenkonzern steht früher oder später der Generationenwechsel an. Heftige Konflikte sind bereits programmiert, denn Ferdinand Piëch hat zwölf Kinder von vier Frauen.

07.10.2009 / Tina Stadlmayer

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