Aus für den Saubermann

11.04.1994

Ministerpräsident Morihiro Hosokawa ist wegen seiner Geldgeschäfte zurückgetreten


Von Tina Stadlmayer

Das war nur ein Scherz“, vermutete der Parlamentsabgeordnete Kiyoshi Nishikawa. Ministerpräsident Morihiro Hosokawa hatte ihm beim Abendessen anvertraut, er sei müde und wolle zurücktreten. Aber er meinte es ernst.

Hosokawa, der vor acht Monaten angetreten war, die Politik Japans zu erneuern, hat aufgegeben. „Ich bedaure sehr, daß wir wichtige politische Probleme noch nicht gelöst haben“, sagte er, nachdem das Kabinett seinen Rücktritt angenommen hatte. Das Ende der Regierung Hosokawa kam für die meisten Japaner völlig überraschend. Parteifreunde wie Gegner hatten damit gerechnet, daß er die Finanzaffären, die ihm die Opposition vorwirft, überstehen würde. „Ich habe mich entschlossen zurückzutreten, um endlich den Weg für die Haushaltsberatungen freizumachen“, erläuterte Hosokawa seinen Entschluß. Die Opposition weigert sich seit Monaten, den längst fälligen Haushalt 1994 zu verabschieden, solange die Finanzgeschäfte des Premiers nicht aufgeklärt sind.

Noch vor kurzem wurde Hosokawa als der Clinton Japans gefeiert. Jetzt hat ihn – wie den Amtskollegen aus Washington – seine Vergangenheit eingeholt. Vor den Gouverneurswahlen 1983 in der Provinz Kumamoto in Südjapan bekam der Kandidat Hosokawa von der Speditionsfirma Sagawa Kyubin einen Kredit über 100 Millionen Yen (1,7 Millionen Mark). Hosokawa sagt, er habe damit eine Wohnung in Tokio gekauft und sein Haus in Kumamoto repariert. Die Opposition hält den Kredit dagegen für eine verkappte Wahlkampfspende. Der Regierungschef bestreitet das und sagt, er habe den Kredit längst zurückgezahlt. Einen Beleg für die Überweisung konnte er jedoch nicht zeigen.

Besonders peinlich für Hosokawa: Sagawa Kyubin ist eine Firma mit Verbindungen zur japanischen Mafia. Auf der Bestechungsliste des Unternehmens stand Japans gesamte politische Elite. Mehrere Politiker und Manager kamen ins Gefängnis. Die Sagawa-Kyubin-Affäre hatte im vergangenen Jahr zum ersten Regierungswechsel seit vier Jahrzehnten geführt. Die bislang regierende Liberaldemokratische Partei verlor die Mehrheit, und Hosokawa kam als Kandidat eines breiten Parteienbündnisses an die Macht. Die Regierung hat die meisten ihrer Wahlversprechen nicht eingelöst. Die Koalition ist seit Monaten zerstritten. So gerieten die versprochenen Anti-Korruptionsgesetze zum lauwarmen Kompromiß.

Hosokawa gab auf seiner Abschieds-Pressekonferenz zu, daß es ihm außerdem nicht gelungen sei, „Reformen im Bereich des Erziehungssystems und des Umweltschutzes“ durchzusetzen. Die Wahlreform steht noch aus. Zwei Neuerungen werden allerdings von der kurzen Ära Hosokawa in Erinnerung bleiben: seine Entschuldigung für die japanischen Aggressionen während des Pazifischen Kriegs und die Öffnung des japanischen Reismarkts. Nach der Verabschiedung des Haushalts wird voraussichtlich neu ge-wählt werden. Dann erhoffen sich die vor acht Monaten in die Opposition verbannten Liberaldemokraten ein Comeback. Möglicherweise werden sie gemeinsam mit der Erneuerungspartei Tsutomu Hatas und der buddhistischen Komeito-Partei eine neue politische Organisation gründen. Sie soll die Konservativen wieder an die Macht bringen.

Nach der japanischen Verfassung muß der Ministerpräsident seinen Rücktritt dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses erklä-ren, nicht dem Kaiser. Die Erklärung tritt in Kraft, sobald das Parlament mit Mehrheit einen neuen Ministerpräsidenten gewählt hat. Wenn die beiden Parlamentskammern für unterschiedliche Kandidaten plädieren, gilt die Entscheidung des Abgeordnetenhauses.

NACHFOLGE-KANDIDAT Tsutomu Hata 24. August. 1935 in Tokio geboren; studierte Wirtschaftswissenschaften o seit Dezember 1969 Abgeordneter im Unterhaus o Dezember 1985 Minister für Landwirtschaft und Fischerei o November 1991 Finanzminister o 17. Juni 1993 Als wichtigster „Überläufer“ stimmte er gegen den LDP-Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa. Sechs Tage später führte er einen Massenaustritt aus der Partei an und gründete die Shinseito, die konservative Erneuerungspartei o August 1993 Nach der Wahl-Niederlage der LDP kam es zu einem historischen Machtwechsel: In der Acht-Parteien-Koalitionsregierung wurde Hata Vizepremier und Außenminister

11.04.1994 / Tina Stadlmayer

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