Deutsche Einheit

03.11.1990

Von einem, der die deutsche Einheit verpennt hat


Von Tina Stadlmayer

Blöde und saublöde Sprüche auf Wahlplakaten: Ein sinnierend in die Ferne guckender Oskar Lafontaine prangt seit einigen Tagen an jeder Straßenkreuzung. Ob er über den Slogan auf seinem Plakat nachdenkt? Der neue Weg. Welcher Neue denn? Warum soll er denn weg? Und wo soll er denn hin?

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Wir haben es ja schon immer geahnt, daß die SPD nicht ganz ehrlich ist. Riesengroß fordert ein Plakat: Bonn muß Sitz von Parlament und Regierung bleiben. Klitzeklein steht daneben, daß dies nicht die SPD sondern nur deren Bonner Kandidat Horst Ehmke so will. (Vogel und Mompi sehen das anders, wie wir wissen.) Eben dieser Ehmke schaltet übrigens auch in den Bonner Zeitungen lustige Anzeigen: Wir wollen die Deutsche Einheit. Wir haben sie, Herr Ehmke. Sie ist am 3. Oktober über uns gekommen. Haben sie wieder alles verpennt, oder was?

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Sind schon schlaue Jungs, die von der "Arbeitgemeinschaft der Haus- und Grundeigentümervereine Bonn". Es müsse nun "bald klargestellt werden, daß der Sitz von Parlament und Regierung in Bonn verbleibt", schreiben sie an ihre Mitglieder. Und wer ist dafür zuständig, daß die Grundstückspreise nicht purzeln? Genau: "Die Entscheidung hierüber treffen die Abgeordneten des Bundestages." Und wie kriegt man die dazu, im Sinne der Bonner Grundstückseigentümer abzustimmen? Indem man ihnen hier eine tolle Wohnung besorgt. Denn: "Sie werden sich aber in Bonn nur dann richtig wohlfühlen können, wenn ihnen geeigneter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann." Mal sehen, ob sich die Volksvertreter einwickeln lassen.

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Die Deutsche Einheit hat den Ossis viel Verwirrendes beschert, vor allem all unsere wunderbaren Gesetze, Verordnungen und Ausführungsverordungen. Bauministerin Hasselfeld hat sich nun der überforderten Ossis erbarmt und ein Arbeitshandbuch herausgebracht: "Baugesetzbuch leichtgemacht". Prima, denkt da der gestreßte Bauwillige aus Sachsen-Anhalt, mal sehen, was ich darf und was nicht. Also: Kapitel 4.3.1. Aus "Baugesetzbuch leichtgemacht": "Enthält ein Bebauungsplan nicht alle der in 30 Abs. 1 bezeichneten Festsetzungen (sog. Einfacher Bebauungsplan) - z. B. keine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung -, richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im übrigen - d. H. für das Beispiel: hinsichtlich des Nutzungsmaßes - nach 34 oder 35 (vgl. 30 Abs. 2 sowie Teil I3.). Übergeleitete Pläne (246a ABS. 4 Bau GB i.V.M. 64 AQbs.3 Bau ZVO) sind oft einfache Bebauungspläne." Na, alle Klarheiten beseitigt?

3.11.1990 taz 82 Zeilen, tina stadlmayer S. 4

03.11.1990 / Tina Stadlmayer

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