Leider unvermeidlich Grüne: Die Trennung von Amt und Mandat fällt

06.10.1999


Von Tina Stadlmayer

Die grüne Seele ist in Gefahr. Auf dem nächsten Parteitag soll die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat fallen. "Keine Macht für niemand" lautete vor fast zwanzig Jahren die Parole. Damals legten die Grünen fest: Abgeordnete (an MinisterInnen dachte noch niemand) dürfen keine Ämter in der Partei übernehmen. Die Angst, die diesen Beschluss hervorbrachte, ist auch heute noch berechtigt: Ohne diese Trennung könnten einige wenige Promis zu viel Macht gewinnen.

Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass es nicht anders geht: Die Grünen müssen die Trennung von Amt und Mandat aufheben, weil sie nicht genügend gute Leute haben. Fast alle klugen Köpfe sitzen inzwischen in Parlamenten oder Regierungen. Und viele grüne Abgeordnete interessieren sich kaum noch für die Partei, in deren Namen sie Politik machen. Dies wird sich ändern, wenn auch Mandatsträger Spitzenämter in der Partei wahrnehmen können.

Wichtig ist jetzt, dass die Partei nicht von einem Extrem ins andere fällt und sämtliche Spitzenposten mit Promis besetzt. Doch diese Gefahr ist nicht allzu groß, denn das Wesen der Grünen ist immer noch antiautoritär. Deshalb ist auch Joschka Fischer mit seinem Reformvorschlag, den er noch dazu über die Presse lancierte, gescheitert. Es wird auch in Zukunft zwei Vorsitzende geben, und die Trennung von Amt und Mandat wird wohl nur zum Teil aufgehoben.

Das ist gut so, denn die Grünen sollten nicht alle ihre Prinzipien über Bord werfen. Die Partei muss effektiver organisiert und der Bundesvorstand (auch finanziell) gestärkt werden. Ihre Doppelspitze und die Quotierung müssen die Grünen beibehalten, denn sie garantieren, dass auch in Zukunft Frauen an der Spitze der Partei stehen werden. Nach wie vor sind die Bündnisgrünen die einzige Partei, in der die Frauen auch ganz oben gleichberechtigt mitbestimmen. Diesen Pluspunkt dürfen sie keinesfalls einer radikalen Parteireform opfern. Auch grüne WählerInnen wollen keine autoritäre Partei, an deren Spitze der große Zampano Joschka Fischer das alleinige Sagen hat. Die beiden künftigen Vorsitzenden müssen versuchen, Fischer in die Partei einzubinden und seine Fähigkeiten gewinnbringend einzusetzen. Das geht nur, wenn die beiden so gut sind, dass er sie ernst nehmen muss.

6.10.1999 taz Seite 1 71 Zeilen, Tina Stadlmayer S. 1 Leitartikel

06.10.1999 / Tina Stadlmayer

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