Reformer werfen LDP aus dem Rennen

02.08.1993

Die geeinte Opposition bietet einen eigenen Ministerpräsidentschaftskandidaten auf


Von Tina Stadlmayer

Morihiro Hosokawa, 55, ist auf dem besten Weg, Japans neuer Ministerpräsident zu werden. Acht Oppositionsparteien kürten den Chef der Neuen Japan Partei (NJP) zu ihrem gemeinsamen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt. „Jetzt können wir den lange erwarteten Regierungswechsel durchsetzen“, freute sich der Fürstensohn nach der Nominierung. Das ist das Ende der 38jährigen Herrschaft der Liberaldemokratischen Partei (LDP). Bei den Wahlen am 18. Juli verlor sie die absolute Mehrheit und ging auf die Suche nach Koalitionspartnern (FOCUS 28/93). Doch bei Hosokawa blitzten die LDP-Brautwerber ab. „Der LDP-Vorschlag war nicht weitreichend genug“, begündet er die Ablehnung und ist überzeugt: „Der Wertewandel in der japanischen Gesellschaft hat unseren Sieg ermöglicht.“

Gemeinsam mit mehreren unabhängigen Abgeordneten hat die neue Mitte-Links-Koalition aus NJP, der zum Oberhaus gehörenden gewerkschaft- lichen Demokratischen Reformpartei (DR), den Sozialdemokraten (SDPJ), den sozialistischen Splittergruppen DSP und USDP, der konservativen Erneuerungspartei, der Neuen Initiative und der buddhistischen Komeito eine knappe Mehrheit im Parlament. Für saubere Politik macht sich der machtbewußte Hosokawa mit seiner vor einem Jahr gegründeten Partei stark. Doch so ganz unbeschmutzt ist Hosokawa, bis 1990 selbst Mitglied der LDP, dem Skandalwirbel der Liberaldemokraten nicht entronnen. Auch er hatte Verbindungen zur Sagawa-Kyubin-Spedition, zu jener Firma also, die vor fast einem Jahr mit ihren Bestechungsgeldern für den größten Skandal der japanischen Nachkriegsgeschichte sorgte. Hosokawa gab zu, von den mit der Unterwelt liierten Spediteuren einen Millionenkredit bekommen zu haben.

Das Spiel mit der Macht ist für den eloquenten Hosokawa nicht neu. Immerhin ist er der 18. Chef eines Samurai-Clans, der jahrhundertelang die Gegend um Kumamoto auf der Insel Kyushu beherrschte. Als Gouverneur von Kumamoto setzte Hosokawa, damals noch LDP-Mitglied, die Familientradition fort. Noch heute nennen ihn die Menschen dort „Tono Sama“ – ehrwürdiger Graf. Auch Regierungschefs hat es in der Familie schon gegeben: Hosokawas Großvater, Prinz Konoe, war der letzte zivile Premierminister, bevor Japan 1941 mit dem Angriff auf die US-Basis Pearl Harbor in den Krieg eintrat. Nach dem Krieg beging Konoe Selbstmord, um dem Militärgericht der Amerikaner zu entgehen. Trotzdem ist Hosokawa für seinen demokratischen Führungsstil bekannt. Gemeinsam mit den anderen Parteien des Koalitionsbündnisses muß er nun eine gemeinsame politische Plattform finden. Ein schwieriges Unterfangen, denn die verschiedenen Gruppen der Mammut-Koalition vertreten konträre Standpunkte. So ist der linke Flügel der Sozialdemokraten gegen die Streitkräfte und gegen Atomkraft. Dem liberalkonservativen Hosokawa und vielen seiner Verbündeten jedoch sind linke Gedanken und ein pazifistisches Japan zuwieder.

Um so erstaunlicher, daß es Hosokawa trotz aller Unterschiede gelang, die Gruppen für ein gemeinsames Koalitionspapier zu gewinnen. Die acht Parteien haben sich bereits auf ein neues Wahlrecht, Anti-Korruptionsgesetze und Maßnahmen zu Ankurbelung der Wirtschaft geeinigt. Zudem soll sich der künftige Ministerpräsident im Namen seines Landes bei den Opfern der japanischen Aggressionskriege entschuldigen. Völlig neue Töne aus dem Land der aufgehenden Sonne. Eine dritte Öffnung Japans ist das Ziel Hosokawas. Die erste Öffnung fand 1868 statt und wurde Meiji-Restauration getauft. Die zweite Öffnung kam, so Hosokawa, nach dem Von Tina Stadlmayer

Morihiro Hosokawa, 55, ist auf dem besten Weg, Japans neuer Ministerpräsident zu werden. Acht Oppositionsparteien kürten den Chef der Neuen Japan Partei (NJP) zu ihrem gemeinsamen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt. „Jetzt können wir den lange erwarteten Regierungswechsel durchsetzen“, freute sich der Fürstensohn nach der Nominierung. Das ist das Ende der 38jährigen Herrschaft der Liberaldemokratischen Partei (LDP). Bei den Wahlen am 18. Juli verlor sie die absolute Mehrheit und ging auf die Suche nach Koalitionspartnern (FOCUS 28/93). Doch bei Hosokawa blitzten die LDP-Brautwerber ab.

„Der LDP-Vorschlag war nicht weitreichend genug“, begündet er die Ablehnung und ist überzeugt: „Der Wertewandel in der japanischen Gesellschaft hat unseren Sieg ermöglicht.“ Gemeinsam mit mehreren unabhängigen Abgeordneten hat die neue Mitte-Links-Koalition aus NJP, der zum Oberhaus gehörenden gewerkschaft- lichen Demokratischen Reformpartei (DR), den Sozialdemokraten (SDPJ), den sozialistischen Splittergruppen DSP und USDP, der konservativen Erneuerungspartei, der Neuen Initiative und der buddhistischen Komeito eine knappe Mehrheit im Parlament. Für saubere Politik macht sich der machtbewußte Hosokawa mit seiner vor einem Jahr gegründeten Partei stark. Doch so ganz unbeschmutzt ist Hosokawa, bis 1990 selbst Mitglied der LDP, dem Skandalwirbel der Liberaldemokraten nicht entronnen. Auch er hatte Verbindungen zur Sagawa-Kyubin-Spedition, zu jener Firma also, die vor fast einem Jahr mit ihren Bestechungsgeldern für den größten Skandal der japanischen Nachkriegsgeschichte sorgte. Hosokawa gab zu, von den mit der Unterwelt liierten Spediteuren einen Millionenkredit bekommen zu haben.

Das Spiel mit der Macht ist für den eloquenten Hosokawa nicht neu. Immerhin ist er der 18. Chef eines Samurai-Clans, der jahrhundertelang die Gegend um Kumamoto auf der Insel Kyushu beherrschte. Als Gouverneur von Kumamoto setzte Hosokawa, damals noch LDP-Mitglied, die Familientradition fort. Noch heute nennen ihn die Menschen dort „Tono Sama“ – ehrwürdiger Graf. Auch Regierungschefs hat es in der Familie schon gegeben: Hosokawas Großvater, Prinz Konoe, war der letzte zivile Premierminister, bevor Japan 1941 mit dem Angriff auf die US-Basis Pearl Harbor in den Krieg eintrat. Nach dem Krieg beging Konoe Selbstmord, um dem Militärgericht der Amerikaner zu entgehen. Trotzdem ist Hosokawa für seinen demokratischen Führungsstil bekannt. Gemeinsam mit den anderen Parteien des Koalitionsbündnisses muß er nun eine gemeinsame politische Plattform finden. Ein schwieriges Unterfangen, denn die verschiedenen Gruppen der Mammut-Koalition vertreten konträre Standpunkte. So ist der linke Flügel der Sozialdemokraten gegen die Streitkräfte und gegen Atomkraft. Dem liberalkonservativen Hosokawa und vielen seiner Verbündeten jedoch sind linke Gedanken und ein pazifistisches Japan zuwieder. Um so erstaunlicher, daß es Hosokawa trotz aller Unterschiede gelang, die Gruppen für ein gemeinsames Koalitionspapier zu gewinnen. Die acht Parteien haben sich bereits auf ein neues Wahlrecht, Anti-Korruptionsgesetze und Maßnahmen zu Ankurbelung der Wirtschaft geeinigt. Zudem soll sich der künftige Ministerpräsident im Namen seines Landes bei den Opfern der japanischen Aggressionskriege entschuldigen. Völlig neue Töne aus dem Land der aufgehenden Sonne.

Eine dritte Öffnung Japans ist das Ziel Hosokawas. Die erste Öffnung fand 1868 statt und wurde Meiji-Restauration getauft. Die zweite Öffnung kam, so Hosokawa, nach dem Zweiten Weltkrieg mit den US-Besatzern. Die dritte Öffnung will er nun inszenieren – sein Ziel: mehr Demokratie. Von einer Dezentralisierung, wie sie im Wahlkampf von vielen gefordert wurde, ist nicht mehr die Rede. Ohne sie jedoch, glaubt Kenichi Ohmae, Führer einer Bürgerinitiative für Reformen, bleibt alles beim alten: Die Macht im Lande teilen sich die Bürokraten, Politiker und Lobbyisten im fernen Tokio.

02.08.1993 / Tina Stadlmayer

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