Streit um UNO-Kämpfer

15.02.1993

Die UNO will japanische Kampftruppen, doch Präsident Miyazawa zuckt zurück


Von Tina Stadlmayer

Militärmusik ertönte, als japanische Soldaten Ende letzten Jahres zum Flugzeug marschierten – die Zurückbleibenden winkten beklommen. Einige Frauen weinten. „Sie gehen nicht in den Krieg“, rief eine junge Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm, „sie fahren nach Kambodscha, um den Menschen zu helfen.“

Doch die Mission der Japaner in Kambodscha ist nicht ungefährlich. Trotz Waffenstillstands flammen die Kämpfe zwischen den Roten Khmer und den Regierungstruppen immer wieder auf. Deshalb forderten japanische Oppositionelle vergangene Woche, die Regierung solle die Soldaten zurückbeordern. Denn das im Juni 1992 verabschiedete Gesetz für die Entsendung japanischer Truppen zu UN-Missionen enthält einen eindeutigen Passus: Die Soldaten müssen zurück, wenn der Waffenstillstand gebrochen wird. „Wir können nicht die ersten sein, die Wiedersehen- sagen, nur weil irgendwo im Land gekämpft wird“, antwortet Außenminister Michio Watanabe auf die Forderung der Opposition. „Wir müssen unseren Einsatz mit den anderen Ländern abstimmen.“

Diese Einstellung wird den UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali freuen. Er ist diese Woche in Tokio, um den Verbleib der Japaner in Kambodscha zu sichern. Doch damit allein will er sich aber nicht zufrieden geben. „Ich werde in Japan genau dasselbe tun wie in Deutschland. Ich werde sagen, daß ich mir die Teilnahme nicht nur an friedenserhaltenden, sondern auch an friedensstiftenden Maßnahmen wünsche“, erläuterte er in einem Interview des japanischen Fernsehens. Butros-Ghali unterstützt damit die Forderung der sogenannten „Falken“ in Japans Regierungspartei LPD. Sie wollen die Soldaten auch zu UN-Kampfeinsätzen schicken und dafür nötigenfalls die Verfassung ändern. „Das japanische Volk verzichtet auf das Androhen und die Anwendung von Gewalt, um internationale Konflikte zu lösen“, heißt es bisher in Artikel neun der Verfassung.

Die Falken wollen den Artikel nun so ergänzen, daß militärische Aktionen im Rahmen der UNO ausdrücklich erlaubt sind. Außenminister Watanabe vertritt sogar die Ansicht, sein Land könne die Soldaten jetzt schon losschicken – ohne Verfassungsänderung.

Für Watanabe ist das eine Interpretationsfrage. Schließlich unterhält das Land ja auch eine der modernsten Armeen der Welt und leistet sich 150 000 Berufssoldaten, ohne sich um die Verfassung zu scheren. Darin heißt es, daß Japan niemals „Land-, See- und Luftstreitkräfte“ unterhalten wird. Japan steckt in einem Dilemma: Es soll, wie übrigens auch Deutschland, für die UNO mehr als nur finanzielle und humanitäre Hilfe leisten. In den Nachbarländern jedoch ist die Erinnerung an die militaristische Vergangenheit beider Länder noch sehr lebendig. Deshalb protestieren Nordkorea und China vehement gegen die japanischen UNO-Soldaten. Auch Südkorea und Singapur melden Bedenken an.

Ministerpräsident Kiichi Miyazawa nimmt die Ängste der ehemals von Japan unterjochten Länder ernst. Er will keine Kampfeinsätze erlauben und ist gegen die Änderung der Verfassung. Sein Argument: „Japan darf seine Fehler aus dem Zweiten Weltkrieg nicht wiederholen. Seither sind 50 Jahre vergangen – das ist keine lange Zeit.“ UN-Generalsekretär Butros-Ghali gibt sich verständnisvoll. Aber er hält für Japan denselben Köder bereit, den er auch schon Deutschland angeboten hat: Eine größere militärische Rolle werde natürlich eine größere politische Rolle innerhalb der UN „erleichtern“, verspricht er. Im Klartext: Wer sich an militärischen Aktionen beteiligt, hat größere Chancen auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

15.02.1993 / Tina Stadlmayer

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