Worte statt Taten

30.08.1993

Hosokawa entschuldigt sich bei Opfern des Pazifik-Krieges, aber Geld bekommen sie nicht


Von Tina Stadlmayer

Mit deutlichen Worten entschuldigte sich Japans Ministerpräsident Morihiro Hosokawa, 55, bei den asiatischen Nachbarn für den Pazifischen Krieg (1931 – 1945). Ein Novum in der japanischen Politik. Hosokawa bekundete in seiner Regierungserklärung die „tiefe Reue“ für die „unerträglichen Leiden“, die japanische „Aggression und Kolonialherrschaft“ vielen Asiaten zugefügt hätten. Ein Aufschrei der Empörung ging daraufhin durch die Reihen der oppositionellen Liberaldemokratischen Partei (LDP). Die Regierung wecke bei den Nachbarn Hoffnungen auf Entschädigung, erregten sich LDP-Politiker. Von finanzieller Wiedergutmachung jedoch will Hosokawa nichts wissen.

Dabei hatte die sozialdemokratische Parlamentspräsidentin Takako Doi, 64, wenige Tage zuvor einen Fonds für die Entschädigung der Kriegsopfer vorgeschlagen. Sie regte an, die Regierung solle dafür rund 35 Milliarden Mark bereitstellen. Diesem Ansinnen verweigerte sich jedoch die mehrheitlich konservative Regierungskoalition. „Die Kriegsschäden sind durch die Ab- machungen bei der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen abgegolten“, stellte Kabinettssprecher Masayoshi Takemura kühl klar. Mit einer Entschuldigung allein wird die neue japanische Regierung nicht davonkommen, wenn sie ihre Beziehungen zu den ehemaligen Kriegsgegnern ernsthaft verbessern will. Japans Feldzüge in Asien haben mindestens 20 Millionen Menschen das Leben gekostet. Kriegsopfer aus über zehn Ländern verlangen Entschädigungen.

Koreanische und taiwanische Soldaten, die während der Kolonialzeit für den japanischen Kaiser in den Krieg ziehen mußten, fordern Renten. Ehemalige Zwangsprostituierte wollen Wiedergutmachung. 100 000 bis 200 000 Frauen wurden während des Pazifischen Krieges in Soldaten-Bordellen zum Sex gezwungen. Vor einem Tokioter Gericht kämpfen zur Zeit neun Koreanerinnen und 18 Filipinas um Entschädigung. Sie verlangen pro Person zwischen 10 000 und 500 000 Mark. „Mit einer Entschuldigung ist es nicht getan, das wäre zu billig“, sagt Lourdes Maria Indai, Sprecherin der ehemaligen Zwangsprostituierten.

Am Jahrestag der Atombombenexplosion in Hiroshima forderten weißgekleidete Koreaner Entschädigungen für die 23 000 koreanischen Zwangs- arbeiter, die 1945 im atomaren Inferno starben. Auch Chinesen, Malaien und Indonesier wollen Geld. Der 75jährige Malaie Soon Yit Koi berichtet: „Wir mußten die Eisenbahn des Todes von Thailand nach Burma bauen. Nur wenige überlebten diese Hölle.“ Insgesamt zwangen die Japaner über 300 000 Kriegsgefangene, darunter auch Briten und Niederländer, zur Arbeit an der Eisenbahnstrecke. In China, Malaysia und auf den Philippinen richteten die Japaner schreckliche Massaker an. Allein in der chinesischen Stadt Nanking metzelten sie 1937 über 100 000 Männer, Frauen und Kinder nieder.

Nur 2,2 Milliarden Mark Reparationen zahlte Japan nach dem Krieg. Die einzelnen Opfer oder ihre Nachkommen gingen meist leer aus. Doch viele konservative Japaner lehnen Entschädigungen bis heute strikt ab. Wütende Anrufer lassen zur Zeit die Telefone im Büro des Ministerpräsidenten heißlaufen. Ein 70 Jahre alter Veteran aus Nagoya schimpft: „Diese Chinesen und Koreaner sind doch nur auf unser Geld aus.“ Auf dem Höhepunkt des Pazifik-Krieges beherrschte Japan ein Areal von etwa 50 Mio. Quadratkilometern. Das entspricht der fünffachen Größe der USA.

30.08.1993 / Tina Stadlmayer

 

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